Sie erinnern an eine sehr schwierige Zeit in der deutschen Geschichte: In den Jahren 1945 / 1946 wurden Millionen Deutsche aus ihrer ostdeutschen Heimat vertrieben – viele von ihnen kamen auch an den Niederrhein und bauten sich hier ein neues Leben auf: Die Mitglieder des Willicher Stadtverbandes im Bund der Vertriebenen laden am 9. September zu einem Empfang und einer Gedenkstunde anlässlich des 70-jährigen Bestehens der Vereinigung ein. Der heutige Stadtverband hat seine Wurzeln in Anrath.
Bis 1950 kamen 2500 Flüchtlinge in den damaligen Kreis Kempen / Krefeld. Viele von ihnen wurden in Anrath in der alten Josefshalle, im Saal Baaken oder dem Haus Wickum/Gersch untergebracht. „Wir waren noch kleine Kinder und konnten das furchtbare Leid durch Flucht und Vertreibung noch nicht richtig verstehen“, erinnert sich der heutige Vorsitzende Hartmut Perseke an diese Zeit. Mit der damaligen Gemeindeverwaltung gingen die Flüchtlinge daran, sich eine neue Existenz aufzubauen und sich in der neuen Heimat zu integrieren. Es habe zunächst viele Vorurteile gegeben, doch die wurden mit der Zeit abgebaut und es gab ein gutes Miteinander, so Perseke. Ein großes Problem war die Wohnungsnot – gemeinsam mit der alteingesessenen Anrather Bevölkerung gingen die neu hinzugezogenen daran, die Schäden des Weltkrieges zu beseitigen und den Aufbau voranzutreiben.
So entstand in den 1950er Jahren in der Anrather Donk die „Schlesier- bzw. Ostdeutsche Bauernsiedlung“, in der Straßennamen wie Schlesierstraße oder Königsberger Straße an die Herkunft der Anwohner erinnern.
1947 wurde die „Interessengemeinschaft der Ost-Vertriebenen“ gegründet. Sie vertraten die Menschen aus den Regionen Ost- und Westpreußen, Pommern und Danzig sowie Schlesien und die Sudeten-Deutschen. Nach der Änderung der Vorschriften der Alliierten über Vereine und Versammlungen konnte die Gemeinschaft in einen Verein umgewandelt werden. Eine Aufgabe in der Vergangenheit lag im kulturellen Bereich. „Maßgebend am Vereinsgeschehen waren Ernst Stryjewski und Herman Falk mit ihrer jahrzehntelangen Kulturarbeit sowie Lehrer Kippke mit seinem Chor beteilig“, berichtet die Vereinschronik. Dazu gab es eine Laien-Spielgruppe, die sehr erfolgreich verschiedene Theaterstücke aufführte, sowie eine Tanzgruppe.
Seit Jahrzehnten richtet der Kreisverband des Bundes der Vertriebenen im Kreis den „Tag der Heimat“ aus, „es soll nicht nur ein Gedenken an die verlorene Heimat, sondern auch an die neu gefundene sein“, so die Intention des Tages. Im Jahr 2014/2015 löste sich der Ortsverband Alt-Willich im Bund der Vertriebenen auf. Einige Mitglieder wechselten in den Ortsverband Anrath, der sich dann im Januar 2015 einstimmig in Stadtverband Willich umbenannte. Aktuell hat der Verband noch 35 Mitglieder, Vorsitzender ist seit 1990 der Anrather Hartmut Perseke. Der Tag der Heimat wird am 9. September in der ev. Gemeinde in Anrath gefeiert, im Gemeindehaus an der Jakob-Krebs-Straße 121.: Um 14 Uhr findet ein Gottesdienst statt, um 15 Uhr ist Empfang mit Kaffeetafel, um 16 Uhr beginnt die Gedenkstunde.
Das Programm gestalten „de Leddschesweäver“ Anrath, Friedrich Kluth mit einem Mundart-Vortrag, Else Tresp trägt ein Gedicht vor. Die langjährige Ratsfrau der SPD, Renate Tippmann, trägt Gedanken zum „Tag der Heimat“ vor. Gemeinsam mit ihrer Tochter Heike Stellman stellt sie ihr Buch „Mädchen, steh auf!“ (vom Krieg und der Flucht nach Westen) vor. Musikalisch wird die Veranstaltung von den Original Flöthbachtaler Musikanten Anrath begleitet.