Ihr wird Respekt erwiesen, sie selbst neigt sich nicht vor Königen oder Präsidenten, sondern nur vor Gott und dem Tod: Die Fahne hat im Schützenwesen eine besondere Bedeutung. Der Allgemeine Schützenverein Willich hat eine relativ „junge“ Fahne: Sie wurde erst vor 70 Jahren gestaltet und hergestellt. Franz Schüller (ASV-Fahnenkompanie) hat ihre Geschichte untersucht und interessante Details herausgefunden.
Es ging auch um Einfluss – soviel ist sicher: Als sich 1886 die drei Willicher Bruderschaften entschlossen, gemeinsam ein „Allgemeines Schützenfest“ zu feiern, war auch klar, dass sie nur für dieses Fest gemeinsam auftreten und ansonsten ihre Eigenständigkeit bewahren wollten. Der Vorläufer des ASV, damals ein zwölfköpfiges Gremium mit dem Namen „Comité des Allgemeinen Schützenfestes“, sollte eine Art Hilfsverein sein“, so Franz Schüller. Dieser war für die Organisation des Schützenfestes und eines Winterballes zuständig. Der erwirtschaftete Überschuss wurde zu jeweils einem Viertel an die Bruderschaften übertragen, ein Viertel blieb beim „Comité“.
Zum Fest zogen die Bruderschaften mit ihren eigenen Fahnen auf – und obwohl immer mehr Schützen in den ASV eintraten (1890 waren es 250 Aktive in 17 Zügen), ist in den Aufzeichnungen um 1900 nie die Rede von einer eigenen ASV-Fahne: „Es ist als gesichert anzusehen, dass es vor 1900 keine solche gab“, erklärt Schüller.
Neu nach dem Zweiten Weltkrieg
Grundlegend änderte sich die Situation erst nach dem Zweiten Weltkrieg, der für die alten Bruderschaften eine große Zäsur gewesen war: Sie waren zerschlagen worden, nur die St. Sebastianer gründeten sich nach dem Kriegsende neu – und der ASV hatte überlebt, weil die Nationalsozialisten seine Wandlung zum „Wehrsportverein“ geduldet hatten. Ab 1950 bemerkt Franz Schüller eine Veränderung: Nach dem Sommerfest 1950 und dem ersten Schützenfest nach dem Krieg 1951 entstand der Wunsch nach einer eigenen Vereinsfahne. Bald wurde mit ASV-Präsident Heinrich Hausmann (Direktor Hannen-Brauerei) ein Sponsor gefunden. Die Schützen einigten sich auf einen Entwurf des damaligen Schützenkönigs Hans Kuhlen: „Sein Entwurf sah als zentrales Motiv auf grünem Fahnentuch eine von Eichenlaub umrahmte neutrale Schießscheibe und das neue Gemeindewappen vor“, so Franz Schüller: Das 1950 kreierte Wappen zeigt drei goldene Gerstenähren auf blauem Schild über einem „unterhalben roten Richtrad“ – letzteres ist das Attribut der hl. Katharina als Pfarrpatronin, die Ähren erinnern an das alte Brauerei-Gewerbe und die Bedeutung der Landwirtschaft. Es sollte „bewusst ein völlig neues Symbol geschaffen werden, das für einen Neuanfang des Schützenwesens in Willich nach dem mörderischen Kriege stehen sollte“, so Franz Schüller.
1952: Fahnenabordnung entsteht
Zu der Fahne unterstützte Heinrich Hausmann die Entstehung einer neuen „Fahnenabordnung“ und finanzierte die Uniformen der Mitglieder, alle Beschäftigte der Brauerei. Neu war dabei die Wahl der grünen Uniformen – als Bezug zu der größer werdenden Zahl von Jägerzügen, die dem ASV beitraten.
1965 nahmen die Schützen des Jägerzugs „Treu und Fest“ die Position der Brauerei-Mitarbeiter ein. Bis heute umfasst die Fahnenabordnung immer acht bis zwölf Schützen, darunter Zugführer, Fahnenträger und zwei Flügeloffiziere.
Restaurierung
In den 1990er Jahren musste die Fahne fast vollständig erneuert werden, die Restaurierung war 1996 pünktlich zum 111. ASV-Schützenfest beendet.
Die Fahnenabordnung ist nicht nur beim Schützenfest präsent: Die Schützen ziehen am Volkstrauertag mit der offiziellen städtischen Abordnung und den Vertretern des ASV zu einem der Ehrenmale der Willicher Friedhöfe, um gemeinsam mit den anderen Willicher Vereinen der Opfer von Krieg und Gewalt zu gedenken.
Außerdem begleiten sie die Trauernden bei der Beisetzung früherer ASV-Schützenkönige und ASV-Präsidenten.