Bau der Kapelle
In den Jahren 1654-61 ließ Gerhard Vynhoven (1596-1674) die Kapelle Klein-Jerusalem nach mehreren Reisen ins Heilige Land in der Nähe seines Geburtshauses erbauen. Als Pfarrer in Osterath und als Feldkaplan Jan von Werths hatte er die Verwüstungen und die Leiden des Dreißigjährigen Krieges durchlitten.
Seine Idee bestand in einer möglichst getreuen Nachbildung der heiligen Stätten von Bethlehem und Jerusalem, um so den von Leid und Not erschütterten Menschen nach dem großen Krieg „die ersten und die letzten Tage des Herrn anzustellen“. Die Betrachtung des Lebens und Leidens Jesu sollte dem betrachtendem Wallfahrer Antwort und Deutung auf die bedrängende Frage nach dem Sinn seines persönlichen Schicksals geben. Im 17. und 18. Jahrhundert erfreute sich die Wallfahrt großer Beliebtheit am gesamten Niederrhein.
Betritt der Wallfahrer die Kapelle, so gelangt er zunächst in die Oberkirche, die beherrscht wird von der Kreuzigungsgruppe und der Grabkapelle. Die durch ihre Größe besonders eindrucksvolle Kreuzigungsgruppe ist eine Komposition aus verschiedenen Epochen. Die unter dem Kreuz stehenden Figuren der Maria und des Johannes sowie die beiden vor dem Kreuz stehenden Frauenfiguren wurden im 16. Jahrhundert in Flandern gefertigt. Gegenüber der Kreuzigungsgruppe, am anderen Ende des Raumes, befi ndet sich das Modell des Heiligen Grabes aus dem Jahre 1661. Es ist eine Nachbildung des Grabes Jesu in der Grabkirche von Jerusalem vor dem großen Brand im Jahre 1808. Wesentliche Bestandteile der Unterkirche sind die Nachbildung der Geburtsgrotte und der Krippennische mit dem Dreikönigsaltar entsprechend der Geburtskirche in Bethlehem und das Grab des Erbauers Gerhard Vinhoven. Die Unterkirche umrahmen drei kleine Kapellen teilweise mit ihrer alten Ausstattung.
Die Kapelle unter den Minoriten
Rund 100 Jahre nach dem Tode des Stifters war es nicht mehr möglich, aus der Stiftung Vinhovens die Kapelle instand zu halten. Das Gebäude war stark beschädigt. Die Minoriten, die in Neersen eine kleine Niederlassung besaßen, übernahmen sie 1772 und retteten die Kapelle und die Wallfahrt.
Krise in der Franzosenzeit
Eine zweite Krise erlebte Klein-Jerusalem in der Franzosenszeit von 1794 bis 1814. Die Franzosen verfügten 1802, dass alle geistlichen Güter, so auch die Kapelle und das Neersener Minoritenkloster, in den Besitz des Staates übergehen.
Der Neersener Gastwirt Heinich Beckers konnte die Kapelle 1804 im Auftrag des Kirchenvorstandes zurückerwerben. Die Wallfahrt blühte wieder auf, von dieser Blüte künden Prozessionsschilder aus der Gegend von Geldern am Hl. Grab. Die Wallfahrt erlebte 1811 ein jähes Ende, als sie wegen des öffentlichen Auftritts von Flagellanten untersagt wurde. Dabei drohte der Krefelder Unterpräfekt sogar mit dem Abriss des Gebäudes.
Am 1. Juli 1934 war Klein-Jerusalem das Ziel einer Männerwallfahrt, an der etwa 20.000 Personen teilnahmen. Die Predigt hielt Weihbischof Dr.Sträter.
Restaurierung der Kapelle
1966 wurde die Kapelle erstmals restauriert. Dabei wurde der kleine Anbau an der Nordseite der Kapelle entfernt und bei der Gestaltung des Innenraums wurden die Maßgaben des zweiten vatikanischen Konzils umgesetzt. Dabei wurden die Kirchenbänke an den Wänden aufgestellt und die Kreuzigungsgruppe in die Mitte der Kapelle. Im Rahmen von äußeren Restaurierungsarbeiten im Jahre 1973 erhielt die Kapelle ihren charakteristischen hellgelben Anstrich.
In den Jahren 1979-82 wurde die Kapelle dank der Unterstützung des Landes, der Stadt Willich, des Bistums Aachen und vieler Spender einer umfassenden Restaurierung unterzogen. Es gelang, der Oberkirche die Fassung von 1772 wiederzugeben. In der Unterkirche wurde die Gestaltung freigelegt, die der Erbauer der Geburtsgrotte und dem anschließenden Andachtsraum gegeben hatte. Seit dieser Restaurierung erlebt die Kapelle ein ständig wachsendes Interesse der Öffentlichkeit.
Tausende Besucher erfreuen sich jährlich an diesem einzigartigen Bauwerk des Niederrheins. Jeden Freitag fi ndet ein Gottesdienst statt, auch an den Festen Christi Himmelfahrt, Mariae Geburt und am Antoniustag wird die Messe gefeiert. Am Himmelfahrtstag fi ndet stets eine Reihe von Fußpilgern den Weg zur Kapelle Klein-Jerusalem. Außerdem ist sie seit vielen Jahren Ziel einer Sternwallfahrt der St. Matthias-Bruderschaften des Bezirks linker Niederrhein. Im August 1985 veranstaltete die Stadt Willich erstmals ein Konzert in der Kapelle. 2006 wurde der 350. Jahrestag der Kapellenweihe gefeiert. Dabei wurden auch die sieben neuen, vom Künstler Stefan Przybylla gestalteten Kreuzwegstationen eingesegnet. Die alten waren Jahre zuvor entwendet worden.
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 02/2016 von „Willich erleben – Das Magazin“